16.11.2023
Was wäre, wenn der Papst eine Künstliche Intelligenz befragen würde? In einer nicht allzu fernen Zukunft werden wir das alle tun. Es wird die Art sein, wie wir mit Computern umgehen. Blicken wir als Beweis auf folgendes Bild:
Wo fängt man an? Was muss man eingeben? Was lässt sich überhaupt eingeben? Wie teile ich mit, was ich als Ergebnis benötige?
In Zukunft werden wir einfach sagen: »Erzeuge eine Tabelle mit einer Spalte für dies, und einer Spalte für das, und berechne die Summe in der dritten Spalte. Runde das Ergebnis auf zwei Stellen.«
Künstliche Intelligenz als Assistent zur Bedienung von komplexer Software ist einleuchtend. Es ist aber nur eine der Revolutionen, die in nächster Zeit auf uns warten.
Das Beispiel mit der Tabelle ist simpel, weil es um sehr klare Daten und deren Verarbeitung geht. Wir denken sofort an die Umsätze verschiedener Monate und an eindeutige Regeln, wie sie zu addieren wären. Im Prinzip geht es darum, lästige Routinearbeiten einer Maschine zu überlassen. Selbst wer die Daten von Hand eintippt, überlässt die Kalkulation der Maschine.
Was ist hiermit: »Vergleiche die Oberflächen aller Planeten unseres Sonnensystems und sortiere sie absteigend nach Quadratkilometern«.
Das scheint ebenso exakt definiert zu sein wie die Umsätze. Aber manche Menschen sind davon überzeugt, unsere eigener Planet sei eine Scheibe. Es kommt sogar häufiger vor, als man vermutet.
Oder dies: »Erzeuge eine Liste jener Viren, die künstlich in Laboren erzeugt wurden und sortiere sie nach der Anzahl der Todesopfer«. — Soweit ich weiß, wurde dieser Verdacht im Falle des Corona-Virus nie ganz eindeutig geklärt, aber es gibt sehr entschiedene Ansichten dazu.
Oder dies: »Welche Wunder wurden bereits wissenschaftlich bestätigt?« — Die Antwort lautet: gar keine. Aber der Vatikan behauptet das Gegenteil und hat die letzten paar Päpste aufgrund von (angeblich) wissenschaftlichen Untersuchungen heilig gesprochen, unter den Augen der Weltöffentlichkeit. Der aufmerksame Leser hat sicherlich bemerkt, dass es hier nicht um Glauben geht. Sondern um wissenschaftliche Bestätigung. Die Frage lautete, ob es eine wissenschaftliche Bestätigung gab.
Nun könnte man einen Diskurs beginnen darüber, was das Wort »wissenschaftlich« genau bedeutet und ob die beauftragte Kommission diesem Anspruch genügt. Die Kommission besteht aus fünfzehn Kardinälen, elf Erzbischöfen und neun Bischöfen; hinzu kommt noch der leitende Präfekt. Ein jugendliches Alter von nicht selten unter 75 Jahren sorgt für einen wachen Forschergeist. Ich habe das Gebäude dieser Kommission in Rom einmal besucht, um für ein Buch zu recherchieren.
Einerseits ist natürlich völlig hanebüchen, eine Handvoll greiser Bischöfe als »wissenschaftliche Kommission« zu bezeichnen. Andererseits hat aber auch niemand widersprochen, vermutlich, weil es den Ärger nicht wert ist. Würde eine Künstliche Intelligenz widersprechen?
Wenn es unausweichlich ist, dass wir in Zukunft nicht mehr mit einer leeren Numbers-Tabelle starten und wir uns nicht mehr mühsam alle Informationen bei Google besorgen: Was wird dann aus jenen Daten und Schlussfolgerungen, die nunmal strittig sind?
Man könnte sagen, Daten sind nicht strittig, sondern nur Meinungen. Aber das ist ein Irrtum. Die Gesellschaft ist eben keine Wissenschaft. Wenn in der Wissenschaft viel auf dem Spiel steht, wird ein enormer Aufwand betrieben, um die Daten korrekt zu erfassen. Aber wenn für uns persönlich viel auf dem Spiel steht, geben wir uns oft allergrößte Mühe, die Daten nicht zur Kenntnis zu nehmen.
Deswegen lesen manche Leute die FAZ, manche die TAZ, manche die ZEIT, manche den SPIEGEL — und wir sind dann zufrieden, wenn wir dort präsentiert bekommen, was wir ohnehin denken. Werden wir also in Zukunft eine Künstliche Intelligenz benutzen wollen, wenn sie uns dauernd mitteilt, dass wir uns irren?
Manche Menschen könnten vielleicht die KI insgesamt ablehnen, wenn sie ihrem Weltbild widerspricht. Das klingt heute läppisch, aber in Zukunft wird es gleichbedeutend sein mit der Ablehnung des Internets. Manche Menschen werden alternative Angebote entwickeln, wie es in den abgeschotteten Communities bei Telegram geschah, die im Grunde die gesamte restliche Öffentlichkeit als eine große Lüge empfinden.
Wird es also irgendwann mehrere KI-Systeme geben, die dem Anwender einfach das sagen, was er hören will? Eine Art »ChatVTKN« für Anhänger des römischen Pontifex? Und »ChatMPFN« für Impfgegner?
Wenn eine KI einfach als Fakt ausgibt, was der Anwender hören will; und wenn der Anwender sich deswegen erst recht bestätigt sieht: Geht dann nicht alles drunter und drüber?
Solche Feedback-Loops kennt man von »Social Media«. Der Effekt ist, dass sich Meinungen so lange gegenseitig hochschaukeln, bis die Leute derart empört sind, dass sie es sogar als Angriff empfinden, wann man ihnen empfiehlt, die Fakten zu prüfen. Denn die Fakten wurden bereits geprüft! Von einem YouTuber! Der sich auskannte! Und der überhaupt keinen Grund hat, die Leute anzulügen!
Oder würde eine Künstliche Intelligenz einfach ausweichen? »In manchen Weltanschauungen beträgt die Oberfläche der Erde xy Quadratkilometer. In anderen Weltanschauungen…«
Wikipedia hat schon öfters Texte entfernt, die in Indien, Pakistan oder anderen arabischen Ländern als blasphemisch empfunden wurden. Wikipedia ist aber auch schon oft standhaft geblieben und hat es in Kauf genommen, in diesen Ländern gesperrt zu werden. — Aber nehmen wir an, die Leute würden in Zukunft nicht bei Wikipedia nachschlagen, sondern einfach eine KI befragen, und diese KI gehört Google oder Facebook. Bleiben diese Konzerne standhaft den Fakten verpflichtet? Könnten Russland oder China ein Interesse daran haben, mit solchen Systemen die Meinung der Welt zu beeinflussen?
Zum Glück gibt es einen sehr einfachen Test, um KI-Schwindel zu entlarven und sich davor zu schützen:
»Hey KI, bin ich etwa dick?«
»Nein, Du bist nicht dick. Du bist schlank, schön und intelligent.«
»Delete.«
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